Renate Meyer
Erstellt: 11.3.2022
Nicht nur Patchwork begeistert Renate Meyer. Sie beschäftigt sich mit vielen alten Handwerkstechniken, die teilweise nur noch wenige beherrschen. Was treibt sie dabei an?
Im Interview sagt sie: „Es ist nicht so, dass ich immer etwas Neues machen wollte, sondern es ging mir immer darum: Wie hat man das früher gelöst?“
Im Interview gibt sie uns einen Überblick über ihre Aktivitäten. Sie zeigt uns viele Arbeiten, die sie mit Handwerkstechniken wie Weben, Brettchenweben oder Stopfen hergestellt hat, auch Occhi Arbeiten sind dabei.
Fünf Jahre lebte Renate mit ihrer Familie in Finnland und begann dort mit dem Weben am Webstuhl. Dieser steht bis heute in ihrem Arbeitszimmer. Dort befindet sich auch ein großes Regal mit unzähligen Büchern. Eine Fundgrube für alle, die etwas über Handarbeitstechniken suchen.
- Vom Weben zum Patchworken in der Gröbenzeller Quiltgruppe. Wie kam das?
Ich habe in Finnland gewebt. Da gab es kein Patchwork und in Deutschland war Weben nicht angesagt, und so bin ich in die Gruppe gerutscht.
- Bist du gut zurechtgekommen in Finnland?
Mein Mann war im Büro, meine Kinder in der Schule. Ich habe zuerst versucht, die Sprache zu lernen. Ich konnte einkaufen, aber es war häufig so, dass, wenn wir mit meinem Mann zusammenstanden in einer Gruppe, dann konnte ich zwar verstehen, aber sagen konnte ich nicht so viel.
- Was sind das für Puppen?
In Finnland habe ich auch gelernt, Waldorfpuppen zu machen. Das sind Temperamentpuppen. Du musst ja einem Kind alle vier Farben der Temperamente geben. Jedes Temperament hat eine andere Farbe. Das Kind sucht sich für sein Gefühl eine Farbe heraus, nach der Geburt, wenn es greifen kann. Das machen die Anthroposophen und ich habe eine Zeit lang bei einer Freundin meiner Mutter in so einer Familie gelebt. Da habe ich vieles erfahren, inzwischen aber vergessen. Wenn ich meinen Kindern heute etwas schenke, bekommen sie eine Puppe - welche Farbe auch immer.
- Ist das gehäkelt oder gestrickt?
Beides nicht, das ist gestopft. Das waren früher die Arbeitshandschuhe, nicht aus Wolle, sondern aus Leinenfaden. Das ist eine Technik in Finnland, die die Kinder dort noch erlernen müssen. Wenn du hier einen Faden ziehst, trennt das nicht, bei Häkeln und Stricken trennst du.
- Was meinst du mit trennen?
Na ja, wenn du einen gestrickten Handschuh hast oder einen gehäkelten und du bleibst irgendwo hängen, dann läuft die Masche. Und das passiert hier nicht.
- Wie viel hast du ausgegeben für Bücher?
Das weiß ich nicht. Dieses Buch hier habe ich mir erkämpft in Amerika. Ich durfte in keinen Buchladen. Mein Mann wollte das nicht.
- Und wenn du ein Buch gekauft hast, hast du dann auch die darin beschriebene Technik ausprobiert? Oder hast du dich nur theoretisch damit beschäftigt?
Ich habe gesehen, ob ich damit zurechtkomme, also mit der Anleitung. Heute sehe ich Anleitungen ganz anders: Ich kann beurteilen, ob die Anleitung gut ist. Es gibt Faltbücher mit ganz einfachen Segelschiffen, da verstehst du es nicht.
- Wie heißt denn diese Technik, wo man mit Schlingen arbeitet? Mit einem Einzelfaden und einer Nadel? Das kenne ich noch von meiner Oma. So haben sie Säcke gestopft.
Ja, genau. Ich habe ein ganzes Buch mit vielen Mustern zu dieser Technik. Ich bin extra im Nationalmuseum gewesen und habe gefragt, wie diese Technik heißt. Dann haben sie nur gelacht und gesagt: Neulich kam hier eine Finnin oder Schwedin und hat auch danach gefragt. Im Schwedischen heißt das nålbindning. Aber wie gesagt - im Deutschen kann ich dir keinen Namen geben. Im Ungarn gibt es das auch. Einen Faden konnte man sich schon immer spinnen aus Flachs oder Ziegenhaar oder Wolle, und das andere musstest du dir selber herstellen mit verschiedenen Techniken. Das hier zum Beispiel ist aus der Türkei. Das ist aus Ziegenhaar. Diese Technik heißt Brettchenweben.
- Noch einmal zu den Büchern: Was soll später mit all diesen Büchern passieren?
Meine Enkelkinder sollen sie nehmen oder ich lege Zettel rein mit dem Hinweis, wer sie haben soll.
- Hast du beobachten können, dass man in Finnland eine andere textile Tradition hat?
Ich weiß nicht, ob das heute noch so ist. Denn wir sind Ende der 70er Jahre/ Anfang der 80er Jahre dort gewesen. Und da haben die Kinder alle weben gelernt. Es gab Webstuben, da hattest du die Webstühle nicht zuhause. Du konntest auch sagen: Ich will eine Kette haben aus Leinen oder Baumwolle oder Wolle. Sie soll so und so breit sein. Und das machten sie dir dann. Aber du konntest auch sagen: Ich mache das alles selber. Dann stand das alles zur Verfügung. In den Dörfern war das ein Treff. Auf Hawaii gab es das auch, so eine altmodische Stube, aber mit Patchwork auf einer Museumsinsel. Es war ein Freilichtmuseum und da war die Stube eingerichtet. Das war früher auch üblich. In Norddeutschlang gab es diese Spinnstuben. Das war der Treffpunkt für die jungen Mädchen. Die Burschen kamen natürlich dann teilweise dazu und machten Unfug. Das war ihre Unterhaltung, die sind nicht auf Partys gegangen.
- Weben ist deine Hauptbeschäftigung. Wie ging es nach Finnland in Deutschland weiter?
Wir haben eine Zeit lang in Bremen gewohnt und da gab es Webgruppen. Ich bin nach Rotenburg (Wümme) gefahren. In dem Freilichtmuseum dort wollten sie alte Techniken wieder aufleben lassen, zum Beispiel auch Indigo Färben. Dann haben wir festgestellt, dass das keiner mehr kann. Aber dann bekamen sie den ganzen Schatz von einem Blaudrucker in das Museum. Sie haben dann doch noch jemanden gefunden, der den Jugendlichen beigebracht hat, wie man färbt und wie man mit den Modeln, die da zur Verfügung standen, druckt. Dann haben sie gesagt: Verkaufen ist nicht der Sinn der Sache. Die ganzen Trachten für die Jugendtanzgruppen waren aus diesem Blaudruck und wenn sie irgendwo hingereist sind, haben sie ein Geschenk aus Blaudruck mitgebracht. Wie es heute ist, weiß ich nicht. Sie hatten auch zwei Webstühle, keiner konnte das mehr. Zwei alte Damen haben sie aber noch gefunden. Ich hatte das Weben ja schon in Finnland kennengelernt. Ich hatte aber einen Kontermarsch: Mit meinen Tritten kann ich das Fach, wo ich den Schuss durchgebe, erhöhen. Aber die alten Webstühle haben Rollen und machen das nicht so stark wie dieser Kontermarsch. Das hat mich dann gereizt, einfach mal etwas auf diesem Rollenwebstuhl zu machen.
- Hast du für den Hausgebrauch oder auch für Ausstellungen gewebt?
Ich habe für den Hausgebrauch gewebt, nicht für Ausstellungen. Wenn ich daran denke, wie viele Decken ich schon für meine Kinder machen musste, und ich habe ja auch 10 Enkel. Und Taschen und Stores habe ich auch gemacht. Ich wollte auch eher immer etwas ausprobieren. Durch meinen Aufenthalt in Finnland hatte ich anderes kennengelernt. In Deutschland wurde nur Leinen gewebt auf diesem Webstuhl, Wolle kaum. Man konnte sogar die Kette im Laden kaufen für Handtücher und einfache Küchenhandtücher mit diesem roten Rand. Als das Kaufhaus aufgab, landeten die alle im Museum. Wenn du in Finnland ins Haus kommst, haben sie ein Rollenhandtuch. Das ist wohl an die 6 m lang, ein bestimmtes Muster: Gerstenkorn, und jedes Haus hat da ein anderes Muster. Die alten Frauen wussten das und sind zu den Bauernhöfen gegangen, haben gefragt, wo der Einzug ist. Den Einzug hatte jedes Haus extra. Da ist der Faden schon drin. Du brauchst es nur anknüpfen und durchziehen. Der Einzug war irgendwo im Haus. Dann sagten die Jungen: Nein, das ist nicht mehr da, aber wir wussten es. Es war in der Dachschräge. Dann hatten sie also einen Einzug gefunden und wir haben den ausgezählt. Es war ja schon alles brüchig. Und dann bekamen wir Leinen. Das war 50 Jahre alt und glänzte wie Seide. Nachdem wir den Webstuhl eingerichtet hatten, durften wir jeder ein Stück weben. Das Stück habe ich noch. Das war ein toller Kurs in diesem Museum. Zusätzlich habe ich auch Informationen über den Flachsanbau bekommen
- Kommen wir zur Gröbenzeller Quiltgruppe, Renate. Welche Ausstellung mit der Gruppe war die schönste für dich?
Für mich war alles toll. Es war mal etwas anderes. Diese Herausforderung. Die Märchen – das fand ich auch toll.
- Du hast keine Grundausbildung im Bereich textiles Arbeiten, sondern hast dir alles selbst angeeignet mit den Büchern und auch über Museumsbesuche?
Ja genau, und wenn es in Kanada war in einem Freilichtmuseum! Das sind ja Leute in Kanada und Amerika, die das freiwillig machen. Sie müssen für diesen Bereich, wo sie da sitzen - ich hatte auch eine Freundin, die das machte - wirklich gut Bescheid wissen. Auf Hawaii im Museum war das natürlich genauso. Leider hatten wir damals da nicht so viel Zeit, sonst würde ich heute noch da sitzen (lacht). Sie haben dort Bast, was sie bedrucken. Die Methodisten haben dort eine Universität eingerichtet und haben festgestellt, dass die Leute, die da studieren ihre ganze Herkunft vergessen. Dann haben sie verlangt, dass die Studenten in den Semesterferien in dem Bereich arbeiten müssen, wo sie herkommen, dass sie darüber Bescheid wissen müssen.
- Hier ist mal Patchwork, traditionell. Das sind Topflappen.
Was meinst du, wie die weggingen. Wir waren einmal auf einem Bienenhof im Bayerischen Wald .Die Tochter dort heiratete und übernahm jetzt den Hof. Wir wussten natürlich nichts von der Geschichte, als wir dort Urlaub machten. Dann haben wir uns überlegt: Nächstes Jahr kommen wir ja wieder. Wir bringen etwas mit, aber was? Meine Bekannte, mit der ich dahingefahren bin, hat eine Biene auf ein Stück Stoff gestickt, und ich habe dann mit Sechsecken Topflappen gemacht.
- Dein Medium ist eigentlich Wolle, oder? Du webst, du filzt, du machst Brettchenweberei.
Ich arbeite nicht nur mit Wolle. Hier, diese Spitzenreste habe ich auch an die Puppenkleider genäht. Und als ich dann in München war, habe ich festgestellt, ich muss einige Bücher restaurieren. Da gibt es auch Abfälle, und dieses Leder von der Edeltraut Sailer, das sind Musterstücke. Was machst du also jetzt damit, wenn du normalerweise ein Buch bindest? Ich habe versucht, gerade Stücke aneinander zu nähen, Zickzack mit einer normalen Nadel – keine Ledernadel, denn das würde das trennen. Kleine Heftchen habe ich für meine Enkelkinder gemacht, bevor sie in die Schule kamen. Meine Tochter heiratete, als wir in Finnland waren. Und meine Tochter sagte zu mir: Die Schwiegermutter braucht eine Spitze für die Bluse. Da habe ich mich hingesetzt, aber die Breite stimmte dann nicht. Also wieder alles runter und neu gemacht. Was tut man nicht alles gern für die Familie.
Renate hat soviele Techniken ausprobiert, dass sie unser wandelndes Lexikon ist. Auch ohne Internetverbindung oder den richtigen Suchbegriff für Google kann sie uns immer kompetent beraten.