Text: Monika Modersitzki
2016 dürfen wir Elisabeth Strub Madzar und Mitglieder ihrer Gruppe Hayat Aǧacı (Baum des Lebens) in Gröbenzell begrüßen.
Im Rahmen der 10. Gröbenzeller Quiltausstellung wird sie auch Workshops anbieten und durch ihre Ausstellung führen.
Wir freuen uns auf eine außergewöhnliche Künstlerin und ihre Gruppe.
Ich wollte Archäologin werden. Mein Vater war konservativ. Er wollte auf keinen Fall, dass ich Archäologin werde. So lautete die Antwort der französischen Textilkünstlerin Elisabeth Strub Madzar auf die Frage nach ihrem Beruf, die ihr Merve Özaytekin im Rahmen einer Reportage für posta 2012 stellte.
Betrachtet man die textilen Arbeiten von Elisabeth Strub Madzar, entdeckt man, dass sich die Archäologin letztendlich durchgesetzt hat. Ihr Schaffen lässt sich der kunsthistorisch orientierten Archäologie zuordnen. Diese beschäftigt sich mit der Erforschung von Motiven und der Analyse unterschiedlicher Symbole und Stile.
Geboren wurde Elisabeth Strub Madzar 1957 in Paris. Als Kind kam sie in die Türkei und lebte dort einige Jahre, bevor sie mit ihrer Familie wieder nach Frankreich zurückzog. Auf Grund einer tiefen Verbundenheit mit der Türkei, deren Ursprung sie nicht benennen kann, kehrte sie immer wieder in das Land ihrer Kindheit zurück. Hier ist ihr Herz zu Hause. Stets empfand sie eine tiefe Verbindung zur Türkei mit ihrer reichen Kultur und der faszinierenden Geschichte. Insbesondere beeindruckten sie die gastfreundlichen Menschen. Sie lernte ihren türkischen Mann 1977 kennen. Nach der Hochzeit lebte sie zuerst in Samsun am Schwarzen Meer und jetzt in Istanbul, wo sich ihr Atelier befindet. Seit Jahren gibt sie in der Türkei Patchwork-Kurse.
Parçalı Bohça - Patchwork - die traditionelle Art der Stoffverwertung begeisterte Elisabeth Strub Madzar sofort, als sie 1987 der türkischen Expertin Sevim Hanif begegnete und von ihr diese Technik erlernte. Bald begann Elisabeth Strub Madzar mit der Komposition eigener Werke und baute im Laufe ihres Schaffens ihre Gruppe Hayat Aǧacı (Baum des Lebens) auf. Mit Ausstellungen innerhalb und außerhalb der Türkei möchten die türkischen Textilkünstlerinnen Parçalı Bohça einem breiten Publikum bekannt machen.
Manchmal braucht es eine Sicht von außen auf die Dinge, um das Wesentliche und Unschätzbare für das eigene Auge sichtbar zu machen: Mit einer großen Sensibilität erfasste Elisabeth Strub Madzar die Bedeutung der wertvollen antiken Seiden-, Samt-, und Brokatstoffe, die sie in der Türkei vor allem im Familienbesitz ihrer Schülerinnen noch fand. Nicht nur am Sultanshof wurden Textilien in Umschlagtüchern – bohça – aufgehoben, diese Tradition war auch in anatolischen Familien weit verbreitet. Die Herstellung von Textilien mit den wertvollsten Materialien wie Seide, Gold- und Silberfäden schätzt Elisabeth Strub Madzar als eine weit zurückreichende und herausragende Kulturtechnik, ohne die das heutige Leben mit seinen Entwicklungen nicht denkbar wäre. Inspiriert von der reichen Geschichte Anatoliens begibt sie sich zu Beginn ihrer Entwürfe auf Spurensuche nach Motiven und alten Traditionen. Dabei taucht sie tief in die Kulturen der Byzantiner, der Seldschuken (11.-13. Jahrhundert) und der Osmanen (12.-20. Jahrhundert) ein. Diesen Kulturen, die der heutigen Türkei ihr prägendes Gesicht verliehen, entnimmt Elisabeth Strub Madzar Symbole und Szenen. Türkische Miniaturen sind Inspirationsquellen, ebenso Keramiken, Teppiche, Holz-, Stein- und Metallarbeiten mit den geometrischen Mustern, die man als typischen Dekorationsstil der islamischen Welt schätzt. Darstellungen, die die Alltagskultur wiedergeben, wie z.B. die Szene im Haman oder das Schattenspiel Karagöz finden sich in ihren Arbeiten ebenso wie Darstellungen aus der Religion. Der türkische Volksglaube in Anatolien kommt zum Zug, aber auch die islamische Mystik des großen Dichters und Mystikers Mevlana Rumi. Auch Statuen und Büsten zählen zu den Kunstwerken Elisabeth Strub Madzars. Diese stellt sie aus den kleinsten Stoffresten mit der Technik der Collage her.
Elisabeth Strub Madzar fertigt zuerst die Entwürfe an. Die Umsetzung erfolgt durch ihre Gruppe ausschließlich in Handarbeit. So werden die geometrischen Muster über Papierschablonen genäht. Mit Applikationen stellt sie auch Tiermotive, chinesische Motive und florale Motive dar und lässt diese durch die Verwendung antiker Stoffe in der ganzen Pracht wieder aufleben. Die Arabeske und die Kunst der Kalligraphie sind Stilelemente einer islamischen Ästhetik, die sich in ihren Werken zeigt und die ihre Arbeiten unverkennbar machen. (s. hier)
Käuflich sind die Arbeiten von Elisabeth Strub Madzar nicht. Ihre Werke präsentiert sie nur zu Ausstellungszwecken. Die Textilkünstlerin möchte mit ihrer Arbeit in erster Linie Achtung und Dankbarkeit ausdrücken. Aus einem anderen Kulturkreis stammend, kam sie in die Türkei. Von den Menschen dort hat sie sich von Anfang an gut aufgenommen gefühlt. Den Respekt, den sie genießt, möchte sie dem Land auf ihre Weise zurückgeben: Mit ihren Werken konserviert Elisabeth Strub Madzar Symbole und Traditionen der unterschiedlichen Zivilisationen Anatoliens als kulturelles Erbe. Dem Betrachter verdeutlicht sie auch, wie sich die verschiedenen Kulturen beeinflusst haben. Die unterschiedlichsten Stoffteile und Stoffqualitäten lassen jedes Gesamtwerk stets zu einem harmonischen Ganzen werden. Ihre Philosophie ist somit ein Beitrag zur Verständigung der Kulturen.
Ihre erste Ausstellung in der Türkei (Sadberk Hanım Müzesi) gestaltete Elisabeth Strub Madzar 1990 zusammen mit Sevim Hanıf. Ab 1994 schuf sie ihre eigenen Werke. Viele Ausstellungen im jährlichen Abstand in der Türkei und in Frankreich schlossen sich an. So war sie 2002 und 2009 mit ihren Arbeiten auf dem europäischen Patchwork-Treffen in Sainte-Marie-Aux-Mines vertreten. In Norwegen konnte man ihre Arbeiten 2006 bewundern.
Wir freuen uns auf eine außergewöhnliche Künstlerin und ihre Gruppe.
Publikationen: Elisabeth Strub Madzar (2009) Parçalı Bohça ou Patchwork Turc , Quiltmania